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8 Entwicklungsbausteine für gesunde Führung – Wie sich Führungsfähigkeiten entwickeln

In diesem Artikel möchte ich dir zum Einstieg einen Überblick oder eine Art Inhaltsverzeichnis geben, welche Führungsthemen ich in diesem Blog nacheinander beleuchten möchte. So dass du jetzt schon gespannt sein und eine Vorfreude darauf haben darfst.

Dabei orientiere ich mich zum einen an meinem Konzept der KörperResilienz©[1] und an dem Entwicklungsmodel von Lisbeth Marcher, die Gründerin von Bodynamic International[2]. Dieses basiert auf Daten aus 30 Jahren systematischer Studien der Entwicklungspsychologie und beschreibt, wie sich Ressourcen über unsere frühkindlichen Erfahrungen in Beziehungen aufbauen und im Erwachsenenalter abgerufen werden können (oder nicht). Damit mache ich vor allem die Verknüpfung sichtbar, die zwischen Beziehungserfahrung und Führungsqualität besteht.

Je psychisch gesünder die frühe Beziehungserfahrung, desto besser die Führungsqualität.

Übertragen auf ein Streben nach artgerechter Führung muss diese Betrachtung ebenfalls die Grundlage darstellen, um das eigene Verhalten und das der Mitarbeiter bewusster wahrzunehmen, zu reflektieren und entsprechend handeln zu können. Die moderne Führungskraft, sagt man, sollte u.a. Coach-ähnliche Fähigkeiten haben und als Förderer von Ressourcen und Kompetenzen dienen. Doch manchmal entsteht der Eindruck, dass die Ressourcen und Kompetenzen verschütt gegangen sind. Sobald du mithilfe dieses Blogs ein tiefergehendes Verständnis dafür entwickelt hast, welche Ursachen dies haben könnte, wirst du immer mehr in der Lage sein, sowohl bei dir selbst als auch bei anderen die Ressourcen und korrespondierenden Kompetenzen zu Tage zu fördern. Dadurch wird sich dein Führungsverhalten maßgeblich von Möchte-Gern-Führungskräften, die sich an oberflächlichen Führungsparolen orientieren, unterscheiden. Falls du eine geschäftsführende Position inne hast, kannst du anhand meiner Artikel deinen Blick dafür schärfen, wer sich in deinem Unternehmen für eine artgerechte Leitungsfunktion eignet. Außerdem ist es allen Beteiligten eines Teams oder Unternehmens möglich, in einem entspannten Arbeitsmodus anzukommen, je mehr der verschütteten Ressourcen und Kompetenzen re-integriert werden.

Führungsthemen im Überblick:

Entwicklungspsychologische Ressourcen und Kompetenzen mit der korrespondierenden Führungsfähigkeit als Erwachsener

Existenzstruktur (0 – 3 Monate)

Selbstsicherheit, Selbstwahrnehmung und -regulierung, Authentizität und Integrität, Grundvertrauen, positive Einstellung gegenüber sich selbst, anderen und dem Leben.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 1:

Generelle Souveränität, Verlässlichkeit, Vertrauen statt Kontrolle, Delegationsfähigkeit, Lösungsorientierung, Stressresistenz.

Bedürfnisstruktur (1 Monat – 1,5 Jahre)

Eigene Bedürfnisse erkennen, Ja und Nein sagen, Gefühle von Bedürfnissen unterscheiden, den eigenen Maßstab und Rhythmus kennen und nach ihm leben, Recht auf Erfüllung etablieren.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 2:

Führung = Dienst am Mitarbeiter, Empathiefähigkeit, Verantwortlichkeiten erkennen und abgrenzen, Leistungsgrenzen erkennen, Umgang mit Energiefressern, Sinnvermittlung.

Autonomiestruktur (8 Monate – 2 Jahre)

Neugier und Offenheit gegenüber Neuem, Wortfindung, im Kontakt mit anderen man selbst sein, um Hilfe bitten können, um es danach selbst zu tun, Emotionen benennen und einfordern, Impulse wahrnehmen.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 3:

Klare Kommunikation, positiver Umgang mit Veränderungen, Emotionale Intelligenz, Authentizität, Teamfähigkeit, ausbalancierter Umgang mit Autorität, selbständiges Arbeiten.

Willensstruktur (2 – 4 Jahre)

Eigene Kraft kennen und dosieren, Selbstbehauptung, Bewusstsein für verschiedene Rollen, zielgerichtete und absichtsvoll handeln, Ausdauer, Selbstbezug und Altruismus sind in Balance, gesunder Umgang mit Schuld und Strafe.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 4:

Umsetzungsfähigkeit, Zielstrebigkeit, Rollenverständnis, bewusste Vorbildfunktion, Persönliches von Geschäftlichem trennen, positiver Umgang mit Kritik, Ausgleich zwischen Geben und Nehmen, Entscheidungsfähigkeit (inkl. Konsequenzen), wohlwollender Umgang mit Macht, Struktur in Arbeit und Kommunikation.

Liebe & Sexualitätsstruktur (3 – 6 Jahre)

Phantasie und Realität unterscheiden, Übergang vom konkreten zum abstrakten Denken, Bewusstsein für Geschlechterrollen, Balance zwischen Herz (Liebe) und Becken (Sexualität), Bewusstsein für muskuläre Spannung und Entspannung.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 5:

Machen statt reden, Muster erkennen im eigenen und fremden Verhalten, aufgeräumte und positive Sicht auf Mann und Frau im Unternehmenskontext, Verantwortungsvoller Umgang mit sexualisierter Sprache am Arbeitsplatz/unter Kollegen, sich verletzlich zeigen können (z. B. Fehler oder Schwächen zugeben).

Meinungsstruktur (5 – 9 Jahre)

Eigene Standpunkte entwickeln und vertreten können, Realitätsprüfung von Meinungen (Meinung ist nicht gleich Wahrheit), Unterscheidung von rechts und links, Verbindung von konkret und abstrakt, verschiedenen Standpunkte sehen können, Umgang mit Regeln, Normen und Kultur.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 6:

Perspektivenfähigkeit, sich in den anderen oder eine andere Position hinein versetzen können, andere Meinungen gelten lassen, Gleichberechtigung im Team, alle werden mit einbezogen, diskutieren, ohne persönlich zu werden, offene Haltung anstatt Schwarzweißdenken, Fähigkeit zur Selbstreflektion.

Solidarität & Leistungsstruktur (7 – 12 Jahre)

Balance zwischen Selbst und Gruppe, Individualität in einer Gruppe zeigen und eigene Fähigkeiten einbringen können, Wettstreit üben, Führungsfähigkeiten (!), Pflichtbewusstsein, Freude und Motivation am Lernen.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 7:

Offene Haltung gegenüber Konkurrenz, Wert auf Leistung legen, aber diese vom Menschen trennen können (Mensch wird deshalb nicht abgewertet), faires Führungsverhalten, Gespür für Team und dessen Zusammenhalt, gleichzeitig sein Bestes geben UND andere unterstützen.

Pubertät (11 – 19 Jahre)

(keine Struktur, sondern Neusortierung der anderen Ebenen oder auch Neugeburt des Erwachsenen Menschen)

Festigung der Persönlichkeit, Integration in die Gemeinschaft, wirklich selbständig werden, eigene Lebensentscheidungen (auch sogenannte Schlüsselentscheidungen) treffen.

Entspricht Führungsfähigkeiten/Stufe 8:

Geistige Reife, freiheitliches Menschenbild, Akzeptanz von Andersartigkeit, Mitarbeiter in ihrer Selbständigkeit fördern und akzeptieren, Positionierung, Potenzialerkennung = Wahrnehmung kann benutzt werden, um andere zu entwickeln

 

Die Stufen bauen aufeinander auf

Dies ist die Landkarte, auf der ich mich in den nächsten Artikeln bewegen werde. Du siehst, wie facettenreich sie ausgestaltet ist. Und dabei baut jede höhere Stufe auf der unteren auf. Wie ein Turm aus mehreren aufeinandergestapelten Bausteinen. Je mehr Entwicklungslücken sich aufeinander stapeln, umso wackeliger und brüchiger werden die Bausteine und somit das Bauwerk Psyche. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch in Führungssituationen nicht gesund und angemessen reagieren kann und sich somit -wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken- tendenziell nicht für Führungstätigkeiten eignet. In herausfordernden Situationen kann er dadurch sogar zurückgeworfen werden auf seine existenziellen Ängste und aus ihnen heraus cholerisch, narzisstisch oder psychotisch reagieren. Ein Bericht des Manager Magazins[3] bezieht sich beispielsweise auf Narzissmus in Führungsetagen und erläutert deren immensen Zuwachs in den letzten Jahren anhand einer selbst durchgeführten Studie. Narzissmus auf der Führungsebene hat demnach zerstörerische Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen. Umso wichtiger ist es, sich damit zu beschäftigen, was eine Psyche und somit einen Charakter grundlegend formt. Glücklicherweise gibt es auch den umgekehrten Fall: es ist naheliegend und logischerweise so, dass artgerechte also an einem gesunden Menschenbild orientierte Führung, wahrscheinlicher wird, je mehr Bausteine bzw. Stufen sich im frühkindlichen Beziehungskontext adäquat entwickeln konnten.

 

Das psychische Grundgerüst muss gesund sein

Es liegt nahe, dass du denkst, Führungsqualitäten kann man schulen, coachen oder antrainieren. Meiner Meinung und Erfahrung nach funktioniert das zum einen nur, wenn sich das psychische Grundgerüst (Entwicklungsstufe 1 – 7) als Basis überwiegend gesund ausprägen konnte. Und zum anderen ein Bewusstsein für die eigenen Defizite mit gleichzeitiger Veränderungsbereitschaft besteht. Dies wird sich auch noch im weiteren Verlauf meiner Artikel erschließen.

Egal ob ich Unternehmen, Teams, Therapiezentren oder Familien beobachte, ich stelle in meinen verschiedenen Kontexten, in denen ich unterwegs bin, leider immer wieder fest, dass Menschen mit mangelnden Führungsqualitäten in Leitungspositionen sind und sich dabei ihres Defizits kaum bis gar nicht bewusst sind. Der blinde Fleck ist hier groß und heißt nicht umsonst so.

 

Entwicklungspsychologie, um Führung zu verstehen

Auch das stellt eine Motivation für mich dar, diesen Blog zu schreiben. Ich verstehe es auch als Art Aufklärungsarbeit, mit der ich es vielleicht schaffen kann, jeden Leser für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren und dafür zu sorgen, dass Psychologie, genauer Entwicklungspsychologie nicht als etwas abgetan wird, womit sich nur Traumatherapeuten auseinandersetzen müssen, sondern vielmehr erkannt und anerkannt wird als ein praktisches und logisches Mittel, um Führungszusammenhänge zu verstehen und entsprechende Qualitäten auszubilden.

 

 

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[1] https://koerperresilienz.com/

[2] https://www.bodynamic.com/de/

[3] Narzissmus in deutschen Führungsetagen: Die Jungbullen kommen – manager magazin (manager-magazin.de)